Grätzelzelle – Alternative zur Solarzelle auf Silizium-Basis?

Vor ein paar Jahren feierten Wissenschaftler*innen und technikaffine Menschen die Grätzelzelle (auch Grätzel-Zelle) als zukunftsweisende Möglichkeit, um Energie zu gewinnen. Ein Grund: Ihre Herstellung ist ökologischer und günstiger als die von Siliziumzellen. Im Bereich der erneuerbaren Energien wurde die Grätzelzelle somit als bahnbrechende Methode der modernen Energiegewinnung gelobt.

Doch was ist seitdem passiert? Ist die Grätzelzelle der herkömmlichen Solarzelle wirklich überlegen?

Definition der Grätzelzelle

Grätzelzellen (englisch Dye Sensitized Solar Cells oder DSSC) sind organische oder synthetische Solarzellen, die anders als herkömmliche Varianten nicht aus Silizium bestehen und ohne Halbleiter auskommen. Das Funktionsprinzip ähnelt der Photosynthese. Die elektro-chemische Zelle erzeugt Strom auf Basis von Farbstoffen, daher ist auch die Bezeichnung Farbstoffsolarzelle geläufig. Benannt ist die Grätzelzelle nach ihrem Erfinder, dem Chemiker Michael Grätzel.

Aufbau und Funktionsweise

Eine einfache Grätzelzelle besteht aus vier Schichten:

  • zwei äußere Schichten aus leitfähigem Glas (Kathode und Anode)
  • eine Schicht aus Titan(IV)-oxid, Farbstoffen und einem Elektrolyt
  • eine Graphitschicht im Inneren auf der Kathoden-Seite

Bei der Funktionsweise handelt es sich um eine Redox-Reaktion, die folgendermaßen abläuft:

  1. Ein Photon (Lichtteilchen) hebt ein Elektron auf ein höheres Energieniveau und löst es so aus dem Farbstoff heraus.
  2. Das Titan(IV)-oxid nimmt das Elektron auf, weil es dadurch einen Teil seiner Energie wieder verliert.
  3. Das Elektrolyt ersetzt das Elektron im Farbstoff, damit es nicht wieder aufgenommen wird.
  4. Das freie Elektron gelangt durch das leitende Titan(IV)-oxid zur Anode und von dort zum Verbraucher, in dem es weitere Energie verliert.
  5. Die Kathode führt das nicht mehr angeregte Elektron durch den Katalysator (Graphitschicht) zurück in die Grätzelzelle.

Vor- und Nachteile der Grätzelzellen gegenüber herkömmlichen Solarzellen

Vorteile:

  • Anwendungsmöglichkeiten
  • Vielseitigkeit
  • Volle Lichtausnutzung
  • Umweltschutz
  • Preisvorteil

Nachteile:

  • Wirkungsgrad
  • Lebensdauer

Grätzelzellen besitzen zahlreiche Vorteile:

  • Anwendungsmöglichkeiten: Die Farbstoffzelle lässt sich auf verschiedenste Trägermaterialien aufbringen, zum Beispiel auf Glas oder elastische Folien. Dies erlaubt eine flexible Integration in Gebäuden.
  • Vielseitigkeit: Sie ist in architektonischer Hinsicht interessant, da sie verschiedene Farben und Formen annehmen kann.
  • Volle Lichtausnutzung: Anders als Solarzellen nutzen die Zellen auch diffuses Licht aus.
  • Umweltschutz: Für den Bau einer Grätzelzelle sind weniger Rohstoffe nötig, Hersteller können auf Silizium vollständig verzichten. Der Bau belastet die Umwelt daher noch etwas weniger.
  • Preisvorteil: Der Bau der Zellen ist relativ einfach und durch den geringen Rohstoff- und Energiebedarf vergleichsweise günstig.

Noch ist die Funktionsweise nicht ausgereift. Einige Nachteile sorgen dafür, dass die Grätzelzelle die herkömmliche Solarzelle noch nicht ersetzt hat:

  • Wirkungsgrad: Im Labor ist ein Wirkungsgrad von 12,3 % möglich, kommerziell beläuft sich dieser jedoch auf 2 – 3 %. Es gibt allerdings Potential für Verbesserungen. Der Erfinder der Grätzelzelle geht davon aus, dass mit intensiver Forschung und Weiterentwicklung ein Wirkungsgrad von bis zu 31 % möglich ist.
  • Lebensdauer: Diverse Bestandteile der Grätzelzelle sind sehr instabil. Licht zerstört auf Dauer die Farbstoffe, wässrige Inhaltsstoffe verdampfen. Bisher konnten Forschende noch kein Trägermaterial entwickeln, das Gasdichtheit, Flexibilität und UV-Beständigkeit über mehrere Jahrzehnte sicherstellt. Durch den Einsatz synthetischer Farbstoffe konnten Wirkungsgrad und Lebensdauer jedoch deutlich verbessert werden.

Kommerzielle Umsetzung einer Farbstoffsolarzelle

Aufgrund des niedrigen Wirkungsgrades und der kurzen Lebensdauer ist eine kommerzielle Nutzung der Grätzelzellen bisher nicht sinnvoll. Die Vorteile allein reichen nicht aus, um sie reif für eine Serienproduktion zu machen.

Dennoch gibt es in der österreichischen Stadt Graz bereits eine 2.000 m2 große Fassade voller Grätzelzellen, die ein Gebäude mit Energie versorgen. Der 60 m hohe Science Tower ist Teil eines ökologischen und nachhaltigen Wissenschafts-Clusters und wurde 2017 für den Bürobetrieb eröffnet.

Foto: Wikipedia-Mitglied Clemens Stockner, CC-BY-SA-4.0.

So stellst Du zu Hause eigene Grätzelzellen her

Der Bau der Farbstoffzellen ist so einfach, dass Du auch selbst zuhause Grätzelzellen bauen kannst. Im Folgenden erhältst Du eine vereinfachte Anleitung, in der Du den Träger nicht selbst mit Titan(IV)-oxid beschichten brauchst. Dieser Schritt erfordert nämlich einen leistungsstarken Ofen, der in gewöhnlichen Haushalten nicht vorhanden ist.

Materialliste

  • Träger: zwei Scheiben leitfähiges TCO-Glas (je 2,5 x 5 cm), davon eine mit Titandioxid-Beschichtung
  • Farbstoffe: abgekühlter Hibiskusblütentee (oder Beerensaft)
  • Elektrolyt: gebrauchsfertige Iod-Kaliumiodid-Lösung (oder Lugolsche Lösung)
  • Graphit: weiche Bleistiftmine (oder Graphit-Spray, Feuerzeug-Ruß)
  • Tesafilm

Einige Onlineshops bieten komplette Baukästen an, zum Beispiel ManSolar.

Geräteliste

  • Petrischale
  • Zange
  • Stoppuhr
  • zwei Klammern
  • Pipette
  • 500-Watt-Lampe (oder Sonnenlicht)
  • Multimeter mit Messkabel
  • Krokodilklemmen

Anleitung

Wichtig: Du solltest nicht auf die Beschichtungen fassen!

  1. TCO-Glas färben: Tauch den mit Titandioxid beschichteten Träger in der Petrischale in Hibiskusblütentee und lass den Farbstoff fünf Minuten einziehen. Entnimm den Träger mit der Zange und lass ihn trocknen.
  2. TCO-Glas mit Graphit beschichten: Ermittle mit dem Multimeter, welche Oberfläche des zweiten Trägers elektrisch leitfähig ist. Schütze die Ränder der schmalen Seiten durch Anbringen von Tesafilm. Hier befestigst Du später die Krokodilklemmen. Trage Graphit durch ausgiebiges Reiben der Bleistiftmine an der Oberfläche auf. Entferne anschließend die Tesafilm-Streifen.
  3. Zelle schließen und Elektrolyt hinzugeben: Führe die Beschichtungen der Träger zusammen und fixiere die Zelle mit Klammern. Die mit Tesafilm abgeklebten Stellen sollten jeweils an den Seiten überstehen. Trage das Elektrolyt mit einer Pipette auf, indem Du es auf die Kontaktstellen der Träger gibst. Es sollte sich im Inneren der Zelle vollständig verteilen.
  4. Multimeter anschließen und Strom messen: Schließe das Multimeter mittels Krokodilklemmen an und beachte dabei Anode und Kathode. Miss anschließend den Stromfluss, indem Du die Grätzelzelle mit der Anode ins Licht legen.

Fazit: Du hörst wieder von der Grätzelzelle!

Noch ist die Grätzelzelle herkömmlichen Solarzellen unterlegen, weil sie einen geringeren Wirkungsgrad und eine kürzere Lebensdauer aufweist. Zurzeit befassen sich verschiedene Universitäten mit der Weiterentwicklung von Bauart und Energieausbeute, um sie eines Tages für den flächendeckenden, kommerziellen Gebrauch nutzbar zu machen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass uns in einigen Jahren oder Jahrzehnten ein Durchbruch in der Forschung erwartet, der die ganze Photovoltaik-Branche aufwirbelt.

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